Mit der Idee der Sozialen Dreigliederung lassen sich die Wünsche für eine lebenswerte Zukunft korrekt analysieren und damit realitätsfähig machen.
Die Soziale Dreigliederung ist das Ergebnis (These) einer wissenschaftlichen Untersuchung von Rudolf Steiner. Der Gegenstand der Untersuchung waren alle Aspekte des Zusammenlebens in einer Gesellschaft. Das Ergebnis wurde 1919 erstmals in Buchform veröffentlicht (1). Im Kern geht es um die Erkenntnis, dass sich die Menschen stets in drei unterschiedlichen Lebensbereichen bewegen: Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben. Jedoch müssen sich diese Lebensbereiche autark und im Sinne von Freiheit im Geistesleben, Gleichheit im Rechtsleben und Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben entwickeln können. Rudolf Steiner beschreibt mit der Sozialen Dreigliederung eine Vorstellung der Zukunft, aber nicht deren konkrete Umsetzung.
Bei Diskussionen zum Thema Vision oder der Frage „wie wollen wir leben?“, ergibt sich meist das Problem, dass es keine Vorstellungen davon gibt, was denn eine Vision eigentlich ist. Deshalb ist das Ergebnis oftmals eine Liste von Wünschen, wie etwa Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit usw. So unterstützenswert diese Wünsche auch sein mögen, sie ergeben niemals ein visionäres Gesamtbild. Ohne dieses Bild kann es aber auch keine Erfüllung dieser Wünsche geben.
Es ist also wichtig Sinn und Zweck einer Vision zu klären. In aller Kürze (2): Eine Vision ist eine Zustandsbeschreibung einer gewünschten Zukunft. Erst wenn wir wissen wo wir hin wollen, können wir die entsprechenden Ziele setzen und uns auf den Weg machen.
Die Soziale Dreigliederung ist eine solche Vision. Mit ihr kann man Ziele und Wünsche strukturieren, abklären und der konkreten Umsetzung zuführen. Die folgenden Wünsche sollen dies beispielhaft erläutern.
I. Frieden
Der Wunsch nach Frieden ist wohl so alt wie der Krieg.
Wer Frieden will, muss die Kriegsursachen suchen und beseitigen. In allen Lebensbereichen!
Geistesleben (Freiheit): Wir lernen in der Schule den Konkurrenzkampf, den Neid, den Egoismus und dass Versager nichts gelten und nur der Beste vorankommt. Was wir nicht lernen ist die Fähigkeit die Bedürfnisse unserer Mitmenschen anzuhören, verstehen zu wollen und zu unterstützen. Wir machen unsere Kinder kriegsfähig.
Rechtsleben (Gleichheit): … und deshalb haben wir friedensunfähige Politiker, entweder aus persönlichen Gründen (Macht, Einfluss) oder weil sie Marionetten anderer Mächte sind und die Gesetze nicht nach den Bedürfnissen der Bürger ausrichten. So erleben wir – durch die Brille der Dreigliederung betrachtet! – eine gewaltige Übergriffigkeit in die Freiheit des Geisteslebens (siehe deutsches Grundgesetz Art. 7) und die Förderung einer Mensch und Natur missachtenden Gewinnmaximierungsideologie im Wirtschaftsleben.
Wirtschaftsleben (Brüderlichkeit): … und deshalb ist bei uns alles käuflich. Der höchste Sinn scheint zu sein, von einem leistungslosen Einkommen (Zins und Rendite) leben zu können – egal wer das erwirtschaften muss, egal wer dadurch ausgebeutet wird, egal ob es deshalb Krieg gibt. Friedensfähigkeit beginnt mit dem Erkennen dieser Kriegsursachen.
II. Freiheit
Mit dem Begriff der Freiheit ist die Schwierigkeit verbunden, dass wir unterschiedliche Vorstellungen haben, wo Freiheit gegeben sein muss und wo sie eingeschränkt sein kann und muss. In den Schriften von Rudolf Steiner ist oft von der Freiheit im Denken und Handeln die Rede, wobei er beim Handeln durchaus Einschränkungen macht.
Wer Freiheit verstehen will, muss sie den drei Lebensbereichen richtig zuordnen.
Geistesleben (Freiheit): Die Idee der Dreigliederung ist in Bezug auf Freiheit ganz eindeutig. Es gibt sie nur dort, wo wir als Individuen über uns selbst entscheiden. Das Geistesleben ist der Lebensbereich, den wir mit Geburt mitbringen und jedes Kind ist anders! Wir bringen also ganz unterschiedliche Fähigkeiten und Vorstellungen mit und können diese nur durch die Freiheit der individuellen Entscheidungen zur Geltung bringen. Eine staatliche Einheitsschule unterdrückt diese Freiheit und erzeugt staatshörige Untertanen.
Rechtsleben (Gleichheit): Wir wollen zusammenleben und wir müssen das auch. Denn nur in der menschlichen Gemeinschaft können wir uns persönlich und gesellschaftlich weiterentwickeln. Wir haben die Freiheit dieses Zusammenleben durch Regeln zu ordnen, welche unsere Handlungsfreiheit (nicht die geistige Freiheit!) einschränken kann – aber nur, wenn wir uns im Sinne der Gleichheit gemeinsam dafür entschieden haben. Der Zweck jeglicher Gesetzgebung kann also nur sein, die Art und Weise wie wir leben wollen zu schützen. Diese Schutzfunktion bringt zwangsläufig Einschränkungen unserer Handlungsfreiheit mit sich.
Wirtschaftsleben (Brüderlichkeit): Wenn wir durch Erziehung und Schule gelernt haben, auf die Bedürfnisse unserer Mitmenschen einzugehen, also den eigenen Egoismus zurückzunehmen, dann kann sich eine brüderliche Wirtschaft entwickeln, welche konsequent vom materiellen Bedarf ausgeht. So haben wir die Freiheit, unzählige, vielfach vernetzte aber vertraglich geregelte Bedarfs- und Produktionsgruppen (Assoziationen) zu bilden. Wie bei den Gesetzen binden wir uns hier mit Verträgen und schränken so auch wieder bewusst unsere Handlungsfreiheit ein – aber eben durch eine freie Entscheidung. Einen staatlichen Eingriff in diese autarke Entwicklung darf es nicht geben. Die Fähigkeiten und die Verantwortung die volkswirtschaftlichen Prozesse zu steuern, liegen direkt bei den Wirtschaftsteilnehmern und niemals bei den außenstehenden Akteuren des Rechtslebens (Legislative, Exekutive).
III. Demokratie
Wer kennt nicht den Satz: „Das haben wir in der Gruppe demokratisch entschieden“? Nun wissen wir, dass Demokratie Volksherrschaft bedeutet, demokratische Entscheidungen also immer Entscheidungen vom Volk sind und für das Volk als Ganzes gelten. Damit ist die obige Aussage zwar üblich, weil man jede Mehrheitsentscheidung als demokratisch bezeichnet, aber widersinnig.
Wer die unterschiedlichen Arten von Entscheidungen verstehen will, muss sie den drei Lebensbereichen richtig zuordnen.
Geistesleben (Freiheit): Da wir, wie oben erwähnt, alle individuell unterschiedliche Voraussetzungen und Vorstellungen mitbringen, müssen wir ein echtes Freiheitsbewusstsein entwickeln, denn das Geistesleben ist der Bereich der absolut freien, individuellen Entscheidungen. Es kann keine demokratische Entscheidung zu dieser geistigen Freiheit geben, weil es hier keine Gleichschaltung geben darf – wir sind doch alle unterschiedlich! Auch wenn in Gruppen Entscheidungen gefällt werden, sind das nur Vereinbarungen und keine Gesetze.
Rechtsleben (Gleichheit): Auch das wurde bereits erwähnt: Wir alle wollen friedlich zusammenleben! Beim Zusammenleben gilt das Gleichheitsprinzip, dessen Anerkennung ein Gleichheitsbewusstsein voraussetzt. Hier und nur hier sind wir im Bereich der demokratischen Entscheidungen: Wir alle legen Regeln fest, welche für uns alle gleichermaßen gelten. Das ist im Idealfall basisdemokratisch. In der Realität haben wir eine repräsentative Demokratie, wobei die Repräsentanten mangels Vision willkürlich und chaotisch, also undemokratisch handeln.
Wirtschaftsleben (Brüderlichkeit): Brüderlichkeit tritt in einer arbeitsteiligen Welt als Selbstverständlichkeit des Handelns zugunsten anderer in Erscheinung. Dieses Handeln, das immer ein gemeinsames Handeln ist, wird gruppenweise geregelt. Die wesentlichen Entscheidungen, welche sich im Kern auf Bedarf, Produktion, Menge, Preis und andere volkswirtschaftlichen Belange beziehen, sind immer kollektive Entscheidungen. Im Gegensatz zu lockeren Vereinbarungen werden diese Entscheidungen vertraglich festgelegt und sind damit gesetzlich geschützt. Diese Schutzfunktion des Rechtslebens ist keine Einmischung in die Autarkie des Wirtschaftslebens. Kollektive Entscheidungen sind keine demokratischen Entscheidungen, sie gelten nur für das jeweilige Kollektiv und nicht für alle. Das demokratische Gleichheitsprinzip kann in der Wirtschaft schon deshalb nicht gelten, weil wir alle unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Nachwort
In unserem Umfeld wird der Wert der Theorie oft unterschätzt, mitunter sogar unterbewertet. Sehr häufig hört man Argumente, die zwar vorgeben, stichhaltig zu sein, sich aber dann doch als Trugschluss erweisen. In Debatten werden Standpunkte häufig durch folgende Aussagen entkräftet: »Das ist zu theoretisch!«, »Das funktioniert nur in der Theorie!«, oder auch »Man braucht praktische Lösungen!«. Man muss erkennen, dass Wissen auf Theorien beruht… (3)
Natürlich gibt es gute und schlechte Theorien und schlechte Theorien führt zu schlechter Praxis. Zur Frage: Wo wurde diese Idee schon mal umgesetzt: Diese Frage ist für sich allein genommen schon lächerlich genug. (3) Wenn es um Innovation geht, kann es noch keine Umsetzung geben.
Um Anhänger einer Idee zu werden, muss man sie erst einmal verstehen. Niemand unterstützt etwas, das er nicht versteht und das ihn nicht motiviert. […] Aber Menschen verstehen die Zusammenhänge und möchten sich weiterbilden. (3)
[Hervorhebung von mir. Das Zitat gilt auch für die Ablehnung einer Idee!]
Alle Ideen werden erst lächerlich gemacht, dann in Erwägung gezogen und schließlich akzeptiert.(4)
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(1) Rudolf Steiner, 1861-1925
Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft, Rudolf Steiner Verlag
(2) Bernhard M. Huber, Text zu Sinn und Zweck einer Vision: https://www.soziale3gliederung.com/vision/
(3) Javier Milei, *1970, seit Dezember 2023 Präsident Argentiniens.
Zitate aus seinem Buch: Der Weg des Libertären – Freiheit in ihrer reinsten Form, Kopp Verlag
(4) John Stuart Mill, 1806-1873, britischer Philosoph und Ökonom
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